18.05.2017 „Deutschlands Breitbandausbau in der Sackgasse“

Der Jahresbericht der Bundesnetzagentur zeichnet ein düsteres Bild des deutschen Breitbandausbaus. Von Glasfaser ist weit und breit nichts zu sehen, während sich Kupferleitungen und die Deutsche Telekom zu neuen Höhenflügen aufschwingen.

In Deutschland führt weiterhin kein Weg an kupferbasierten DSL-Internetanschlüssen vorbei, die mit 75 Prozent Anteil den Markt dominieren. Das geht aus dem letzte Woche veröffentlichten Jahresbericht 2016 der Bundesnetzagentur (BNetzA) hervor. Daran wird sich wohl auf absehbare Zeit nichts ändern: Es zeichnet sich ab, dass die deutsche Breitband-Politik eine Re-Monopolisierung der Infrastruktur zu Gunsten der Deutschen Telekom AG (DTAG) befördert und dabei im Vorbeigehen den Ausbau zukunftsfester Glasfaserleitungen verhindert.

DSL-Anschlüsse verzeichneten den stärksten Anstieg seit Jahren, um etwa eine halbe Million auf insgesamt 24 Millionen. Etwas mehr steigern konnten sich zwar Kabelinternetanschlüsse, um 800.000 auf acht Millionen. Unter die Räder kommen bei dieser Entwicklung jedoch Anbieter, die auf die sogenannte „letzte Meile“ angewiesen sind, also die Leitungsstrecke, die direkt zu den Kunden führt (Teilnehmeranschlussleitung, TAL) und die der DTAG gehört. Oder solche Anbieter, die Glasfaserleitungen zu einem konkurrenzfähigen Preis auf den Markt bringen wollen.

Zum Vergleich: Glasfaserleitungen, die bis ins Haus oder in die Wohnung (FTTH/B, Fiber to the house/building) reichen und auch tatsächlich genutzt werden, dümpeln bei gerade mal 600.000 Anschlüssen (400.000 im Vorjahr) herum. Wie erst unlängst eine Frauenhofer-Studie ins Gedächtnis gerufen hat, nimmt Deutschland damit von 31 europäischen Ländern die fünfte Position von hinten ein.

Vectoring verbreitet sich und verdrängt Wettbewerber

Ursache für das Wachstum des DSL-Marktes ist die deutliche Steigerung (plus 50 Prozent auf 7,2 Millionen Anschlüsse) der VDSL-Anschlusszahlen, die mittlerweile 30 Prozent aller DSL-Anschlüsse ausmachen. Darauf aufbauend setzen sich vermehrt mittels Vectoring aufgebohrte VDSL2-Anschlüsse durch, was auf kurzen Strecken Übertragungsgeschwindigkeiten von bis zu 100 MBit/s im Downstream erlaubt. Erwartungsgemäß geht die BNetzA davon aus, dass Vectoring weiter an „Bedeutung und Verbreitung“ gewinnen wird.

Abgerundet wird diese Entwicklung von einer fallenden Nachfrage nach TAL-Produkten, während die nach (VDSL-)Vorleistungsprodukten der DTAG deutlich gestiegen ist. Das bedeutet, dass die Wettbewerber zunehmend weniger eigenes Equipment im Einsatz haben, immer mehr auf die Infrastruktur der DTAG zurückgreifen und obendrein höhere Preise für Vorleistungsprodukte an die DTAG bezahlen müssen, die teurer kommen als entbündelte TALs.

Es fügt sich ins Bild, dass die Telekom erstmals seit über einem Jahrzehnt die Wettbewerber überflügelt hat, was Investitionen betrifft. Der Branchenverband „Bundesverband Breitbandkommunikation“ (BREKO) geht davon aus, dass sich dabei auch eine „Investitionsverunsicherung“ bemerkbar macht, welche die Diskussionen um den „quasi-monopolistischen Einsatz von Vectoring im Nahbereich“ im Vorjahr ausgelöst haben. Auch der „Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten“ (VATM) spricht von einer „großen Verunsicherung im Markt und vor allem bei den Investoren

Weichenstellung ins Abseits

Insgesamt ist das kein Zufall und politisch so gewollt: Im Vorjahr hat die BNetzA ganz bewusst eine netzpolitische Weichenstellung vorgenommen, indem sie die Nahbereiche von etwa 8.000 Hauptverteilern zum allergrößten Teil der DTAG überlassen hat. Diese hat sich im Gegenzug dazu verpflichtet, die Bereiche mit der Vectoring-Technik zu erschließen. Das entzieht allerdings den Wettbewerbern den Zugriff auf die TAL, da Vectoring immer nur von einem Anbieter gleichzeitig betrieben werden kann.

Hintergrund ist das von der Bundesregierung im Koalitionsvertrag verankerte Versprechen, bis 2018 eine flächendeckende Internetversorgung mit 50 MBit/s zu erreichen. Aber anstatt sich ein langfristig tragbares Infrastrukturziel zu setzen, hat sich die Große Koalition mit tatkräftiger Unterstützung der BNetzA darauf verständigt, das Problem der unterversorgten Gebiete mit Hilfe einer Übergangslösung zu entschärfen: Schließlich ist es einfacher, bereits vorhandene Kupferkabel zu vermeintlichen Breitbandanschlüssen aufzubohren, als eine auf Glasfaser aufbauende Gigabit-Infrastruktur zu errichten, die diesen Namen verdient.

Problematisch daran bleibt aber nicht nur, dass die Vectoring-Entscheidung die DTAG bevorteilt, sondern dass sie nachhaltig dazu beiträgt, den Markt für leistbare Glasfaserleitungen kaputt zu machen. Dazu kommen die im Bundesförderungsprogramm für den Breitbandausbau enthaltenen Anreize, die möglichst schnell und billig umsetzbare Projekte bevorzugen. Damit kann sich Deutschland wohl auf Jahre, wenn nicht auf Jahrzehnte, auf eine Schlusslichtposition im Glasfaserausbau einstellen.

Schäuble weiß nicht, wohin mit dem „vielen Geld“

Dabei handelt es sich um einen vollkommen unnötigen Schuss ins eigene Knie, der sich noch bitterlich rächen wird, da Deutschlands digitale Infrastruktur zunehmend ins Hintertreffen gerät – „Digitale Strategien“ aus diversen Ministerien hin oder her. Und selbst wenn das mittlerweile zusätzlich aufgestockte Bundesförderprogramm erhebliche Summen bereit stellt, versacken diese in einer Brückentechnologie, die in wenigen Jahren ein weiteres Förderprogramm notwendig machen wird.

Vielleicht ist aber auch das gewollt: So beklagt sich Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) im aktuellen Spiegel über die Forderung des Internationalen Währungsfonds, die Überschüsse in der deutschen Handelsbilanz zu reduzieren, etwa mittels erhöhter öffentlicher Investitionen. Aber man wisse gar nicht, wohin damit, so Schäuble im (online nicht frei verfügbaren) Interview: „Inzwischen haben wir da so viel getan, dass wir das viele Geld gar nicht ausgeben können.“

Quelle: @ netzpolitik.org